17. Woche der Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie

Vortrag: Wie therapiert man eine Familie?


Michael Bachg


Die Psychotherapie eines Kindes oder Jugendlichen im Rahmen seiner Familie gilt für einige Erkrankungen, wie z.B. Essstörungen, als ein Mittel der Wahl. Die Familie gilt aber auch bei anderen psychischen Störungen sowohl als bedingender Faktor für ihre Entstehung, als auch als Medium ihrer Behandlung. Es gibt kaum etwas Spannenderes und Herausfordernderes als die Erweiterung der Therapie eines Kindes oder Jugendlichen auf das familiäre Umfeld. Schnell kommt es hier zu Diskussionen, gegenseitigen Vorwürfen und Anschuldigungen der Familienmitglieder.


Aus familientherapeutischer Perspektive sind Psychotherapeut*innen Brückenbauer. Im vorgestellten therapeutischen Modell liegt der Schwerpunkt in einem ersten Schritt in der Erforschung des subjektiven Erlebens des Kindes als Symptomträger im Sinne der Funktionellen Entwicklungspsychopathologie. Eine emotionsfokussierte und bedürfnisorientierte Vorgehensweise mit dem Kind reduziert die Komplexität und aktiviert häufig das reflexive Empathievermögen der anwesenden Eltern. Es geht darum, nicht bei der Bezogenheit auf das Kind stehen zu bleiben, sondern bei den Eltern Verständnis zu wecken für die bio-psycho-sozialen Aspekte des Erlebens ihres Kindes, um dadurch neue Handlungsmuster zu ermöglichen.


Zusätzlich treten im Zuge von Elternschaft häufig unerwartet deutlich Dämonen aus der eigenen Kindheit wieder auf, z.B. eigene unerfüllte Entwicklungsbedürfnisse, frühe Übernahme von Verantwortung, z.B. durch Versorgung der Eltern oder der Geschwister, traumatische Erlebnisse oder alles zusammen. Sie können in Form von Übertragungen oder Projektionen auf den Partner oder auf das eigene Kind unkontrolliert in die familiären Interaktionen einfließen und das familiäre Klima vergiften. Deshalb runden speziell auf die Repräsentationen der Eltern abgestimmte therapeutische Elterngespräche ohne das Kind, die familientherapeutischen Settingvarianten ab. Ziel ist es, dass die Eltern im Sinne Kegans (wieder) zu einer einbettenden Kultur für die Entwicklung und das Wachstum ihres Kindes werden.

 

Workshop: Wie therapiert man eine Familie?

Familientherapie und Elterngespräche - Emotionsregulation und Stärkung der Beziehungskompetenzen

Frühkindliche Vernachlässigung, traumatisierende Erlebnisse und desolate familiäre Strukturen beeinflussen die neuronale Aktivität des Kindes und prägen so die strukturelle Entwicklung seines Gehirns. Spätere mentale Prozesse des Kindes/Jugendlichen bauen unmittelbar darauf auf. Wahrnehmung, Emotion, Kognition und Verhalten werden zudem durch automatisierte Erinnerungsprozesse manipuliert, sodass auch spätere, respektvolle Beziehungsangebote häufig nicht mit Zutrauen in sich selbst und Vertrauen in den Anderen erwidert werden können. Auf der Elternseite können unverarbeitete Kindheitskonflikte oder Traumata elterliche Repräsentanzen bezogen auf ihr Kind beeinflussen und die Interpretation kindlicher Signale wie ein Filter verzerren. Therapeutische Elterngespräche werden aus diesem Grund im Seminar als zusätzliches Element in der Kinder- und Jugendpsychotherapie vorgestellt. Die Teilnehmenden erhalten Impulse für bindungsorientierte und mentalisierungsfördernde Interventionen mit Kindern/Jugendlichen und ihren Eltern. Zentral geht es in einem ersten Schritt um die Erfüllung bislang unentdeckter Bindungserwartungen des Kindes. Dazu werden Interaktionserfahrungen mit imaginierten idealen Bezugspersonen dramaturgisch so gestaltet, dass Emotionsregulation eintritt. Dieses mitzuerleben berührt emotional häufig auch die anwesenden Eltern und fördert auf diese Weise ihr reflexives Empathievermögen. Das methodische Vorgehen wird anhand von Fallbeispielen, Rollenspielen, Video-Demonstrationen und Übungen praxisnah dargestellt und vermittelt.

 

Infos:

Tagungsort: Langeoog, Haus der Insel
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Referenten: M.Bachg
Weitere Informationen: www.aekn.de | fortbildung@aekn.de
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